Man sollte nicht meinen, dass erwachsene Menschen in der Lage sind, sich so gründlich daneben zu benehmen, dass Sie sich trotz fachlicher Kompetenz einen Job durch ihr Verhalten verbauen können.
„Einer meiner Kunden suchte einen Chemiker, gerne einen Absolventen. Er sollte sowohl im Labor tätig sein, wie auch Präsentationen bei Kunden und Geschäftspartnern suchen. Dienstsitz war in Köln – Bewerbungen kamen viele. Gemeinsam mit dem Teamleiter und einem Personalverantwortlichen der Firma trafen wir die Entscheidung, wer ins Vorstellungsgespräch geladen werden sollte. Die Gespräche verliefen alle recht gut, einer der letzten Kandidaten kam aus Sachsen. Der Abteilungsleiter fragte in breitestem Kölner Dialekt, ob der junge Mann denn überhaupt vernünftig Deutsch spreche. Ich hatte mit ihm telefoniert und konnte den Mann beruhigen. Der Personalverantwortliche grinste nur mit seinem bayrischen Charme, aber ohne Akzent, in sich hinein und murmelte etwas wie: „Wahrscheinlich besser als Du...“ Der junge Absolvent aus Sachsen kam zum Gespräch, das ebenfalls gut (und ohne Verständigungsprobleme) verlief. Bis der Kölner fragte, warum der junge Mann denn ausgerechnet in Köln arbeiten wolle, wo doch sein soziales Umfeld sicher zu Hause in Sachsen sei. Das sind Momente, wo man als „Zaungast“ gerne unter dem Tisch verschwinden würde. Natürlich eine berechtigte Frage, aber eben auch eine, die dick und breit die Aufschrift „FETTNÄPFCHEN“ trägt. Ich konnte in den Stichworten, die die beiden Herren gemacht hatten, erkennen, dass sie von dem jungen Mann nicht nur beeindruckt, sondern nahezu begeistert waren. Der Absolvent begann seine Erläuterung, warum ausgerechnet Köln mit den Worten: „Weil es mir hier einfach gefällt und ich den Menschenschlag sehr mag.“ Im Geiste wischte ich mir Schweißperlen von der Stirn. Leider hörte der junge Mann nicht auf zu reden und verstand es auch nicht, dass ich ihn mit dezenten Gesten zum Schweigen bringen wollte. „Zu Hause will ich einfach weg, weil ich mal was Neues sehen muss. Ich habe mich auch in Norddeutschland beworben. Aber mit den Menschen dort komme ich nicht klar. Sie sind so steif und irgendwie verschlossen...“(Hatte ich erwähnt, selbst aus Niedersachsen zu kommen? Nein? Macht ja auch nichts – ich war ja nur Beraterin und hätte mit dem jungen Mann nicht zusammenarbeiten müssen. Also hielt ich den Mund, wurde von Abteilungsleiter und Personalverantwortlichen aber mit mitleidigen Blicken bedacht.) Und es ging weiter: „Auch in München war ich bei einem Vorstellungsgespräch. Aber was soll ich sagen: Ich versteh die Bayern einfach nicht... ist halt jenseits des Weißwurst-Äquators...“ Nun fiel dem Herrn aus der Personalabteilung die Farbe aus dem Gesicht. Das Gespräch endete dann doch sehr abrupt – was auch unser Bewerber bemerkte – und mit dem höflichen Hinweis, dass man sich melden werde.
Den Job bekam der junge Mann nicht. Fachlich wäre er sicher geeignet gewesen – und es war nicht einmal persönliche, verletzte Eitelkeit, die die Einstellung verhinderte, auch wenn der Personalverantwortliche und ich selbst nicht besonders begeistert über die Einschätzungen unserer „Landsleute“ waren. Auch ich - die ich nichts mit ihm zu tun gehabt hätte – habe abgeraten. Die Stellenbeschreibung sah eben auch Kundenkontakt vor. Und wer es schafft, Menschen im Vorstellungsgespräch mit so wenig Feingefühl auf die Füße zu treten, den lässt man nicht auf Kunden und Geschäftspartner los. Später habe ich dem jungen Mann erklärt, wie er sich mit wenigen Sätzen um einen Job geredet hatte. Erst war er bestürzt – doch dann stellte er fest: „Vielleicht wäre das auch nicht das Richtige für mich gewesen.“
Fettnäpfchen gibt es viele – gerade in Vorstellungsgesprächen, in denen die Bewerber nervös sind.